Blockierter Eisentransport und gestörter Kupferfluss: Das unterschätzte Oxalat-Problem

 

Warum dieses Thema wichtig ist
Oxalat ist eine Stoffwechsel- und Lebensmittelkomponente, die häufig im Zusammenhang mit Nierensteinen, Entzündungen oder Stoffwechselstörungen diskutiert wird. Gleichzeitig spielen Eisen und Kupfer – sowie ihre Transport- und Regulatorproteine wie Transferrin (Tf) und Ceruloplasmin (Cp) – eine zentrale Rolle für die Zellgesundheit, Blutbildung, oxidativen Status und Entzündungsregulation.
Wenn Oxalat in größerer Menge im Körper auftaucht, kann es in Wechselwirkung mit Eisen und möglicherweise Kupfer sowie deren Transport- und Enzymsystemen treten — mit Folgen für die Bioverfügbarkeit dieser Spurenelemente und die Gesundheit insgesamt.

In diesem Beitrag schauen wir uns an:

  1. Wie Transferrin normal funktioniert.
  2. Wie Oxalat diese Funktion stören kann.
  3. Welche Rolle Ceruloplasmin und Kupfer im Zusammenhang mit Eisen und Oxalat spielen.
  4. Welche klinischen Konsequenzen daraus resultieren können.
  5. Welche praktischen Hinweise es gibt.

 

So funktioniert Transferrin und der „Eisen-Bus“
Die Grundlage:

  • Transferrin (Tf) ist das Haupttransportprotein für Eisen (Fe³⁺) im Blutplasma.
  • Pro Transferrin-Molekül können zwei Fe³-Ionen gebunden werden – und zwar nur dann mit sehr hoher Affinität, wenn ein „synergistisches Anion“ vorhanden ist — im Normalfall Carbonat (CO²).
  • Sobald Transferrin mit Eisen beladen ist („Holo-Tf“), bindet es an den Transferrin-Rezeptor 1 (TfR1) an der Zelloberfläche, wird in die Zelle aufgenommen, dort wird Fe³⁺ in saurem Endosom freigesetzt, zu Fe²⁺ reduziert und gelangt dann in den zellulären labilen Eisenpool.

Metapher: Transferrin ist der Bus, Eisen die Passagiere, und Carbonat ist das Ticket, mit dem die Passagiere an Bord gehen dürfen und transportiert werden.

Wenn dieser Mechanismus gut funktioniert, wird Eisen effizient zu den Zellen gebracht, die es brauchen (z. B. für Hämoglobin, Mitochondrien, Enzyme). Ein gesundes Gleichgewicht von Eisenaufnahme, Transport, Speicherung und Nutzung entsteht.

 

Wie Oxalat den „Eisen-Bus“ behindert
Mehrere Forschungen zeigen: Oxalat kann das Zusammenspiel zwischen Transferrin, Eisen und Carbonat erheblich stören. Hier die Schlüsselaspekte:

a) Substitution von Carbonat durch Oxalat

  • Studien zeigen, dass Oxalat an die Eisenbindungsstelle von Transferrin treten kann und dort das Carbonat ersetzt.
  • Diese Substitution verändert die Bindung von Eisen so, dass das Eisen-Transferrin-Komplex stabiler ist — aber nicht auf normale Weise funktioniert. Z. B. wird das Eisen kaum oder langsamer freigegeben.

b) Konsequenzen für die Eisenfreisetzung

  • Wenn Transferrin-Eisen mit Oxalat statt Carbonat gebunden ist, kann der normale Zellaufnahme-Mechanismus beeinträchtigt sein: Der Bus hat zwar Passagiere, kann sie aber nicht an den richtigen Haltestellen absetzen.
  • Das bedeutet: Trotz vorhandenem Eisen im Blut kann dieses nicht effektiv in die Zellen gelangen — funktioneller Eisenmangel.
  • Zusätzlich kann freies Oxalat Eisen selbst chelatieren (binden) und ferrische Oxalat-Komplexe bilden, die vom Transferrin-System nicht erkannt werden — Eisen wird „gefangen“, aber nicht nutzbar.

 

Kupfer, Ceruloplasmin und ihr Zusammenhang mit Oxalat
Während der Fokus oft auf Eisen und Transferrin liegt, sind Kupfer und das Protein Ceruloplasmin (Cp) wichtige Koordinatoren im Spurenelementstoffwechsel — und es gibt Hinweise, dass Oxalat indirekt auch hier eine Rolle spielen kann.

a) Ceruloplasmin – Funktionen

  • Ceruloplasmin ist ein Kupfer-haltiges Protein im Plasma, das bis zu ~90 % des Kupfers im menschlichen Blut transportiert.
  • Es besitzt ferroxidase Aktivität – das heißt, es kann Fe²⁺ zu Fe³⁺ oxidieren und damit die Aufnahme von Eisen in Ferritin oder die Bildung stabilerer Eisenverbindungen fördern.
  • Cp wirkt auch antioxidativ: Es schützt vor freien Radikalen, reguliert oxidativen Stress und ist damit Teil des Spurenelement-/Oxidationssystems.

b) Mögliche Verbindungen zu Oxalat

  • In einer Studie bei Patienten mit eingeschränkter oxalatabbauender Darmflora (Oxalate-Degrading Activity, ODA) wurde ein Zusammenhang gefunden zwischen niedriger ODA, erhöhtem Oxalatspiegel, erhöhtem oxidativen Stress und niedrigeren Ceruloplasmin-Werten.
  • Auch wenn kein direkter Mechanismus untersucht wurde, spricht diese Beobachtung dafür, dass erhöhte Oxalatbelastung/gestörter Oxalatabbau in irgendeiner Weise das Kupfer/Cp-System tangiert — möglicherweise über erhöhten oxidativen Stress oder gestörte Metallhomöostase.
  • Es existieren außerdem chemische Möglichkeiten, dass Oxalat mit Kupfer oder Kupfer-Proteinen reagieren könnte (z. B. Bildung von Kupfer-Oxalat-Komplexen in experimentellen Umgebungen).
  • Insgesamt könnte eine Störung im Oxalat-Metabolismus indirekt das Kupfer-/Ceruloplasmin-System belasten und damit sekundär auch Eisen- und Kupferstoffwechsel beeinflussen.

c) Klinische Bedeutung

  • Wenn Ceruloplasmin reduziert ist, kann das die Eisenverwertung stören (wegen verminderter Ferrooxidase-Aktivität) und erhöhten oxidativen Stress fördern — beides in Wechselwirkung mit einer Eisen- und Spurenelement-Dysbalance.
  • Eine Kombination aus hoher Oxalatbelastung + gestörter Kupfer/Cp-Funktion könnte somit zu einer Mehrfach-Störung des Spurenelementstoffwechsels führen.

 

Klinische Konsequenzen & warum es relevant ist
Die oben genannten Mechanismen haben eine Reihe von möglichen klinischen Konsequenzen:

Funktioneller Eisenmangel trotz ausreichendem Eisen

  • Oxalat-bedingte Blockade von Transferrin kann dazu führen, dass genügend Eisen im Blut vorhanden ist, aber nicht zu den Zellen gelangt.
  • Laborwerte könnten z. B. normale Ferritinwerte zeigen, aber niedrige Transferrin-Sättigung oder niedrige lösliche Transferrin-Rezeptorwerte.

Erhöhter oxidativer Stress und Entzündung

  • Nicht genutztes Eisen, freie Eisenionen und gestörte Metallhomöostase fördern freie Radikale, Lipidperoxidation und Zellschäden.
  • Eine gestörte Ceruloplasmin-Funktion verstärkt das Risiko für oxidativen Stress.

Beteiligung von Nieren, Herz-Kreislauf & Stoffwechsel

  • Bei eingeschränkter Nierenfunktion, hoher Oxalatbelastung oder gestörter Oxalat-verdauender Darmflora wurden erhöhte Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beobachtet
  • Auch Störungen im Kupfer-/Eisen-Metabolismus könnten Stoffwechsel- und Entzündungsprobleme begünstigen.

Hinweise für Diagnostik & Therapie

  • Wenn ein funktioneller Eisenmangel vermutet wird, sollte über die üblichen Eisenparameter hinausgehend auch Transferrin-Sättigung, löslicher Transferrin-Rezeptor und ggf. Ceruloplasmin berücksichtigt werden.
  • Bei hoher Oxalatbelastung (z. B. Nierenprobleme, oxidativer Stress, Ernährung mit vielen Oxalaten) kann zusätzlich die Empfehlung bestehen, Oxalat-Diät, Unterstützung der Darmflora bzw. Oxalat-abbauender Bakterien (z. B. Oxalobacter formigenes) zu erwägen.
  • Bei Kupfer/Ceruloplasmin-Störungen (z. B. genetische Erkrankungen, Leber-/Nierenerkrankung) sollte auch Stoffwechseldysbalance im Blick behalten werden.

 

Praktische Hinweise
Hier einige Empfehlungen, wie dies im Alltag berücksichtigt werden kann:

  • Ernährung:
    • Reduziere gegebenenfalls sehr oxalatreiche Lebensmittel (Spinat, Rote Bete, Nüsse, etc.) wenn eine erhöhte Oxalatbelastung oder Nierenproblematik vorliegt.
    • Kombiniere oxalatreiche Lebensmittel mit Calcium oder Citrat – diese können Oxalat binden und dessen Aufnahme reduzieren.
    • Achte auf ausreichende Hydratation (viel Wasser), um Oxalatausscheidung zu fördern.
    • Unterstütze eine gesunde Darmflora – z. B. durch probiotische Lebensmittel oder gezielt oxalatabbauende Bakterien, wenn angezeigt.
  • Spurenelement-Monitoring:
    • Kontrolliere nicht nur Ferritin und Serum-Eisen, sondern auch Transferrin-Sättigung, löslicher Transferrin-Rezeptor (sTfR) und ggf. Ceruloplasmin sowie Gesamt-Kupferstatus.
  • Oxidativer Stress & Entzündung:
    • Achte auf antioxidative Ernährung (z. B. Vitamin C nicht überdosieren, da sie Oxalat-Bildung fördern kann), ausreichenden Schlaf und Bewegung.
  • Professionelle Abklärung:
    • Bei Verdacht auf komplexe Stoffwechsel‐ oder Spurenelement-Störungen (z. B. funktioneller Eisenmangel, Kupfer-Stoffwechsel) sollte eine ausführliche labormedizinische und ggf. ernährungsmedizinische Abklärung erfolgen.

Fazit
Die Interaktion von Oxalat mit dem Eisen- und Kupferstoffwechsel ist ein spannendes Feld mit zunehmender wissenschaftlicher Evidenz.
Insbesondere die Tatsache, dass Oxalat das wichtige Transportprotein Transferrin blockieren kann, indem es das Carbonat-Anion ersetzt, zeigt eine mögliche Ursache für funktionellen Eisenmangel trotz ausreichender Eisenzufuhr. Gleichzeitig kann eine beeinträchtigte Kupfer/Ceruloplasmin-Funktion den Metallstoffwechsel zusätzlich belasten und oxidativen Stress fördern.

Wenn Sie also das Gefühl haben, trotz Eisenzufuhr müde zu sein oder Laborwerte nicht eindeutig erklären, kann eine Berücksichtigung von Oxalat- und Spurenelement-Aspekten sinnvoll sein.

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Referenzen:

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