Glutamat als zentraler Treiber von Entzündungsprozessen: mehr als Histamin und Mastzellen
Traditionell wird bei Entzündungsgeschehen die Rolle von Histamin und Mastzellen in den Vordergrund gestellt. Insbesondere bei allergischen oder chronisch entzündlichen Erkrankungen gilt Histamin als der entscheidende Mediator. Doch zunehmend zeigt sich, dass dieser Fokus zu kurz greift: Glutamat, der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter im ZNS, spielt eine wesentlich umfassendere Rolle im Zusammenspiel von neuronaler Aktivität, Immunantwort und Entzündung.
Glutamat und die neuronale Übererregung
Glutamat ist essenziell für synaptische Transmission, Lern- und Gedächtnisprozesse. Unter physiologischen Bedingungen hält es sich im Gleichgewicht mit dem inhibitorischen Neurotransmitter GABA. Eine chronische Dysbalance zugunsten von Glutamat führt zu neuronaler Übererregung (Excitotoxizität).
Wichtige Mechanismen dabei:
- Überaktivierung von NMDA-Rezeptoren (N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren).
- Erhöhter Ca²⁺-Einstrom in die Zelle durch diese Rezeptoren.
- Aktivierung zahlreicher Ca²⁺-abhängiger Enzyme (z. B. Calpain, NOS, Proteinkinasen).
- Mitochondrialer Stress, ROS-Bildung und Beeinträchtigung der ATP-Synthese.
NMDA-Rezeptoren und Calciuminflux als Schnittstelle zur Entzündung
Die NMDA-Rezeptor-vermittelte Calciumüberladung ist nicht nur ein neuronales, sondern auch ein immunologisches Signal:
- Intrazelluläres Calcium aktiviert das NLRP3-Inflammasom, einen zentralen Regulator angeborener Immunantworten.
- Das Inflammasom fördert die Prozessierung von Pro-IL-1β und Pro-IL-18 zu den aktiven proinflammatorischen Zytokinen.
- Diese Zytokine wirken wiederum auf Gliazellen und Mastzellen zurück und verstärken die entzündliche Umgebung.
Es entsteht ein positiver Feedback-Loop: Glutamat → NMDA-Aktivierung → Ca²⁺-Influx → Inflammasom-Aktivierung → Zytokinfreisetzung → erneute Glutamatfreisetzung und Mastzellaktivierung.
Mastzellen und Histamin im Kontext von Glutamat
Mastzellen gelten klassisch als „Effektorzellen“ für Histamin-vermittelte Reaktionen. Neuere Daten zeigen jedoch:
- Mastzellen exprimieren ionotrope und metabotrope Glutamatrezeptoren.
- Glutamat kann Mastzellen direkt aktivieren und Histaminfreisetzung triggern.
- Chronisch erhöhte Glutamatspiegel verstärken somit indirekt Histamin-vermittelte Symptome.
Histamin ist in diesem Modell nicht die primäre Ursache, sondern ein Sekundärmediator, der durch glutamatinduzierte Mastzellaktivierung ins Spiel kommt.
Rolle von GABA – die fehlende Bremse
GABA stellt den physiologischen Gegenspieler zu Glutamat dar. Es hemmt neuronale Übererregung, reduziert den Calciumeinstrom und wirkt neuroprotektiv.
- Ein Mangel an GABA-Rezeptor-Aktivität oder GABA-Bildung fördert die Überaktivität glutamaterger Netzwerke.
- Ohne die „Bremse“ durch GABA kommt es leichter zur NMDA-Überstimulation und inflammasomvermittelten Kaskaden.
- Therapeutische Strategien, die GABAerge Signalwege stärken (z. B. GABA-Agonisten, bestimmte Mikronährstoffe), könnten entzündungsmodulierend wirken.
Schlussfolgerung
Die bisherige Sichtweise, Entzündungsphänomene vorrangig über Histamin und Mastzellen zu erklären, vernachlässigt die zentrale Rolle von Glutamat als upstream-Regulator. Entscheidend sind die Mechanismen:
- Dysbalance von Glutamat/GABA
- NMDA-vermittelter Calciumeinstrom
- Aktivierung des Inflammasoms
- Mastzellaktivierung als nachgelagerter Prozess
Dies deutet auf einen Paradigmenwechsel hin: Nicht Histamin, sondern Glutamat ist der primäre Treiber vieler chronischer Entzündungsprozesse.
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Referenzen:
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