Könnte das Mastzellaktivierungssyndrom das fehlende Puzzleteil sein?
Mastzellen sind Immunzellen, die eine entscheidende Rolle in unserem körpereigenen Abwehrsystem spielen. Sie setzen verschiedene chemische Botenstoffe wie Histamin, Prostaglandine und Zytokine als Reaktion auf Auslöser frei.
Das Mastzellen-Aktivierungssyndrom tritt auf, wenn diese Zellen hyperreagieren, ihre Botenstoffe in unangemessener Weise freisetzen und vielfältige systemische Symptome verursachen und sie dies dauerhaft tun, also nicht mehr zur Ruhe kommen.
In meiner Praxis erlebe ich häufig, dass Menschen vom Arzt mit einer „Allergie“ diagnostiziert zu mir kommen und unter Symptomen wie Hirnnebel, Magen-Darm-Problemen und Gelenkschmerzen leiden.
Sie waren bereits bei mehreren Spezialisten, die jedes Symptom für sich behandelt haben – Beim Allergologen, beim Rheumatologen, beim Gastroenterologen, beim Neurologen, etc. Dennoch bleiben ihre Symptome bestehen oder verschlimmern sich. Was diese Spezialisten oft übersehen, ist, dass diese scheinbar nicht zusammenhängenden Symptome in Wirklichkeit durch die Aktivierung der Mastzellen miteinander verbunden sind.
Besonders auffallend für mich ist, wie häufig dieses Muster nach einer COVID-Infektion oder einer COVID-Impfung auftritt oder sich verstärkt.
Wenn diese Menschen bestimmte Nahrungsmittel essen, in ihrer Umgebung Schimmelpilze zu finden sind oder sie Stress erleben, setzen ihre Mastzellen einen unangemessenen Schwall von Entzündungsmediatoren frei, der eine Kaskade von systemischen Symptomen auslöst. Dies ist das Thema von MCAS – einer Erkrankung, die sich nicht in ein einzelnes medizinisches Fachgebiet einordnen lässt, sondern Auswirkungen auf mehrere Körpersysteme gleichzeitig hat.
Die Herausforderung bei chronischen Erkrankungen
In der modernen Medizin werden Krankheiten in der Regel nach dem Modell der Akutversorgung behandelt: eine Diagnose, ein betroffenes System, eine Behandlung, die für jede Person gleich ist. Komplexe chronische Krankheiten passen jedoch nicht in dieses Schema. Ob wir nun über chronische Lyme-Borreliose, Schimmelpilzerkrankungen, Fibromyalgie oder das chronische Müdigkeitssyndrom sprechen, diese Erkrankungen haben mehrere Ursachen.
Die 5 Hauptursachen die zu chronischen Krankheiten beitragen
- Infektionen: Patienten haben oft mehrere Infektionen (virale, bakterielle, parasitäre und Pilzinfektionen) an verschiedenen Körperstellen – Darmmikrobiom, Nasennebenhöhlen, Mund und Bindegewebe
- Toxine: Umweltgifte, Schimmel und Mykotoxine, Schwermetalle (Quecksilber, Blei, Arsen, Aluminium, Cadmium), Glyphosat
- Probleme mit der strukturellen Integrität: Zu straffes oder zu lockeres Gewebe, das den Blut- und Lymphfluss beeinträchtigt.
- Ernährung/Lebensstil/Trauma: Ungesunde Ernährung, die Belastung durch Pestizide und verarbeitete Lebensmittel, ungesunder Lebensstil einschliesslich Schlafverhalten und das Trauma der chronischen Krankheit selbst
Das Paradoxon des Immunsystems
Was macht diese Menschen besonders anfällig für MCAS? Sie leiden gleichzeitig unter einer Immunschwäche und einer Immunhyperaktivität. Sie sind nicht in der Lage, angemessen auf Infektionen zu reagieren, und dennoch entwickeln sie Autoimmunerkrankungen und MCAS.
Während wir für eine normale Immunfunktion eine vorübergehende Entzündung und Mastzellenaktivierung benötigen, klingen die Entzündungsreaktionen dieser Menschen nicht ab.
Dies hängt mit der Cell Danger Response (CDR1) zusammen, bei der die Entzündung nicht vorübergehend, sondern chronisch wird.
Genetische Ausprägung
Die Erforschung der Cell Danger Response zeigt etwas Entscheidendes: Es gibt kein einzelnes Gen, das für diese Zustände bei verschiedenen Menschen verantwortlich ist. Stattdessen unterscheiden sich Hunderte von biochemischen und genetischen Variablen bei jeder Person, auch wenn sie zur gleichen Diagnose führen können.
Auf die Reihenfolge kommt es an
Bei der Behandlung komplexer chronischer Erkrankungen mit MCAS spielt die Reihenfolge eine entscheidende Rolle: Ganzheitlicher Ansatz bei chronischen Krankheiten
Es ist wichtig anzumerken, dass der Versuch einer Entgiftung vor der Behandlung von MCAS oft nach hinten losgeht, da der Entgiftungsprozess selbst eine Entzündung hervorruft, die eine Mastzellenaktivierung auslösen kann.
Das Fortbestehen von Symptomen
Ein rätselhafter Aspekt der Behandlung ist, dass die Symptome manchmal auch nach Beseitigung der Auslöser weiter bestehen. Da kommt auch das Nervensystem ins Spiel. Die anfänglichen Auslöser für jeden Menschen (Borreliose, Schimmelpilze oder Schwermetalle, etc.) bringen bestimmte neuroimmunologische Bahnen in diesem Menschen zum Leuchten. Selbst nach Beseitigung dieser Auslöser bleiben diese spezifischen neuroimmunologischen Bahnen empfindlich und können leicht durch neue Auslöser wieder „entzündet“ werden. Deshalb ist die Regulation des Nervensystems bei chronischen Erkrankungen von grosser Bedeutung.
Die Integration der Peptidtherapie hat die Behandlungsergebnisse in meiner Praxis erheblich verbessert und in vielen Fällen die Genesungszeit um Jahre verkürzt. Entscheidend ist jedoch, dass die Peptide aus seriösen Quellen stammen.
Um komplexe chronische Krankheiten und MCAS zu verstehen, müssen wir über ein einfaches Ursache-Wirkung-Denken hinausgehen. Diese Erkrankungen erfordern individuelle, systematische Ansätze, die den Menschen als Ganzes ins Zentrum stellt.
Der Weg zur Heilung ist nicht linear, aber mit dem richtigen Verständnis dieser komplexen Wechselwirkungen und sorgfältiger Beachtung der Behandlungsreihenfolge können diese Menschen ihren Weg zurück zur Gesundheit finden.
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Referenzen:
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